Wenn die Low Hanging Fruits abgeerntet sind

Skalierung im Online-Marketing

Wie kann Online-Marketing am sinnvollsten skaliert werden? In welcher Reichenfolge sollten neue Online-Kanäle ergänzt werden? Und ist dann mit steigenden oder sinkenden Grenzkosten zu rechnen? Diesen Fragen widmet sich NetzwerkReklame Geschäftsführer in diesem Gastbeitrag in der März-Ausgabe 2014 von LEAD digital.

 

Wer im E-Commerce arbeitet, ist seit Jahren von hohen Wachstumsraten verwöhnt worden. Seit fünf Jahren hat sich das E-Commerce-Umsatzwachstum laut Zahlen des deutschen Einzelhandelsverbandes bei einer Größenordnung von 10-12 Prozent eingependelt.

 

Solange die Zahl der Onliner stieg sowie deren Verweildauern und Akzeptanz von Online-Käufen, gab es im expansiven Markt ausreichend Wachstumspotentiale für alle. Rational handelnde Shopmanager und Online-Mediaplaner setzten auf Werbeinstrumente, die eine latente Kaufabsicht optimal abschöpfen. So begann der Siegeszug des Suchmaschinen-Marketings mit der Ansprache von Nutzern in dem Moment, wo sie ihren Bedarf äußern oder gar eine bestimmte Marke suchen. Ergänzt wurden SEM und SEO durch Affiliate Marketing, Shopping-Suchmaschinen und zuletzt Retargeting.

 

Dass man mit dem Abernten der „Low Hanging Fruits“ beginnt, ist nur zu verständlich. Ein Nutzer, der bereits nach einer bestimmten Marke oder Produktkategorie sucht, hat eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit zu konvertieren. Produktbegriffe werden in Kombination mit den beliebten Moneyterms wie „kaufen“, „buchen“ oder „online bestellen“ ergänzt, um ganz sicher zu gehen. Auch die Ansprache von Nutzern, die eine Kaufvorgang begonnen aber nicht vollendet haben im Rahmen von Retargeting-Kampagnen zählt zum Realisieren der naheliegenden Potentiale in einem späten Stadium des Kaufentscheidungsprozesses. Da „Last cookie wins“ lange Zeit die dominierende Betrachtungsweise war, wurde der Blick konsequent auf das „Abräumen“ der potentiellen Kunden gerichtet. Das Wecken des Bedarfs, die frühe Positionierung von Marken und Shops im Relevant Set des Nutzers wird von diesem Attributionsmodell nicht honoriert.

 

Die Anzahl der Suchanfragen nach ECommerce-relevanten Begriffen wächst aber mittlerweile nicht mehr so stark. Der zunehmende Konkurrenzdruck lässt die Kosten pro Klick kontinuierlich steigen, die Abhängigkeit von Google als Trafficquelle bereitet vielen Werbetreibenden zunehmend Unbehagen. Was also tun, wenn die Low Hanging Fruits abgeerntet sind? Wo sind die neuen Wachstumstreiber im Online-Marketing?

 

Die naheliegende Lösung ist Display-Advertising. Große Werbetreibende setzen ganz selbstverständlich auf visuelle Präsenz, um durch Markenbildung die Präferenz der Zielgruppe langfristig zu beeinflussen. Dies gilt vor allem für die frühen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses, also beim Wecken eines latenten Bedarfs sowie als Orientierung bei der Suche nach Angeboten und Alternativen, um diesen Bedarf zu befriedigen. Im Idealfall ist die Marke dann bereits im Relevant Set des Interessenten priorisiert.

 

Nun galten Branding und Awareness unter Performance-orientierten Werbetreibenden lange Zeit als Schimpfwort oder als Entschuldigung für nicht nachvollziehbare Leistungen einer Maßnahme. Werbetreibende sind hier völlig zu Recht skeptischer und anspruchsvoller geworden. Dass die Erweiterung des Online-Marketing-Mix um weitere Instrumente zu steigenden Grenzkosten führt, sollte niemanden überraschen. Um diese Grenzkosten aber nicht ausufern zu lassen, empfiehlt sich die Beachtung der folgenden XXXX Punkte:

 

  1. Fokus auf Nutzer, nicht Umfelder: Während die aus der Offline-Welt bekannte Umfeldplanung nach Affinitäten für Branding-Zielsetzungen ihre Berechtigung hat, kann durch Targeting-Technologien und Real Time Advertising sehr viel zielgerichteter geplant und auch effizienter eingekauft werden. Die Auktionsmechanismen der AdExchanges eröffnen auch bei kleineren Budgets günstige Konditionen, die Einkaufsvorteile der Großen erodieren. Während die reine Medialeistung tendenziell günstiger wird, kommen zusätzliche Aufwendungen für Data-Management und die Optimierung der Kampagne hinzu.
  2. Situative Faktoren im Nutzungskontext beachten: Auch wenn der Nutzer bei Performance Display-Kampagnen im Mittelpunkt steht, bleibt die Nutzungssituation und der inhaltliche Kontext je nach Produkt durchaus relevant. Ob die Kundenansprache funktioniert oder nicht, kann je nach redaktioneller Qualität, Tageszeit oder Wochentag stark schwanken.
  3. Preiswert einkaufen, nicht billig: Dass man Bannerwerbung auf bestimmten Umfeldern bereits für wenige TKP-Cent kaufen kann, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Für einige Umfelder sind selbst diese „lousy pennies“ verschwendetes Budget, während für bestimmte Kunden auch die SPIEGEL-Homepage für über 80.000 € pro Tag eine gute Investition ist.
  4. Customer Journey Tracking: Gerade Kaufentscheidungsprozesse für hochwertige Produkte und Dienstleistungen, die damit etwas länger dauern, entziehen sich der Messung durch die Customer Journey-Analyse, von reinem Post-Click-Tracking ganz zu schweigen. Ein umfassendes Customer Journey Tracking inklusive Post-View-Messung ist zwar Pflicht, aber oft noch nicht ausreichend.
  5. Sichtbarkeit statt Cookie Dropping: Viele Werbetreibende haben schon einmal schlechte Erfahrungen mit Post-View-Messungen gemacht, z.B. im Affiliate-Marketing über die berüchtigten Cookie-Dropper. Die Sichtbarkeit der eingesetzten Werbemittel kann über entsprechende Technologien heutzutage gut verifiziert werden, die es allerdings nicht zum Nulltarif gibt. Wie vollständig das Monitoring der Sichtbarkeit sein sollte, hängt von vielen Faktoren ab und muss individuell festgelegt werden – nur völlig verzichten sollte man hierauf nicht mehr.
  6. Ergänzung der Key Performance Indicators: Um einen validen Anhaltspunkt für die Optimierung einer Maßnahme zu haben, müssen sich Werbetreibende und Agenturen nach neuen Hilfsgrößen für die messbare Optimierung einer Kampagne umsehen. Dies können z.B. die Verweildauer auf der Website, Abrufe von Produktdetails oder die Suche des Nutzers nach Bezugsquellen sein.
  7. Kaufentscheidungsprozess und Media-Einsatz synchronisieren: Für hochwertige Produkte mit extensiven Kaufentscheidungen der Nutzer wird man auch im Display-Advertising einen längeren Atem brauchen als bei Impulskäufen. Hier gilt es, über entsprechende kreative Konzepte den Nutzer über die komplette Strecke zu begleiten.
  8. Vorsicht bei gemischten Online / Mobile Angeboten: Selbst Shops, die ihren Conversion-Prozess bereits auf mobile Nutzung hin optimiert haben, werden meist eine geringere Umwandlung auf mobilen Plattformen feststellen. Daher Vorsicht bei verlockenden Cost-per-Clicks auf mobilen Banner: diese sind oft nicht beabsichtigt oder sind – bei allen Träumen von der Zukunft des MCommerce – bislang noch weniger werthaltig.

 

 

Langfristig werden die Werbetreibenden am Erfolgreichsten sein, denen eine möglichst nahtlose Integration des abverkaufsorientierten Performance Marketing und markenorientierten Display-Einsatzes gelingt. Diesen Unternehmen wird das Wachstum im Internet noch lange treu bleiben.

 

 

Dieser Artikel erschien im Februar 2014 in der LEAD Digital als Gastbeitrag von NetzwerkReklame Geschäftsführer Wolfgang Thomas.

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