Content Promotion
Warum auch Content Marketing kein Perpetuum Mobile ist und von alleine läuft, sondern professionelle Content Promotion braucht. Ein Gastbeitrag von NetzwerkReklame Geschäftsführer Wolfgang Thomas für die Dezember 2014-Ausgabe des CP-Monitor.
Eine Maschine, die arbeitet, ohne äußere Energiezufuhr, dieser Traum vom Perpetuum Mobile hat die Menschheit über Jahrhunderte fasziniert. Die Physik hat diesen Traum schon zur Beginn der Neuzeit in das Reich der Esoterik verbannt, aber träumen wird man ja noch dürfen. Insofern verdienen auch Marketingverantwortliche unser Verständnis. Schließlich leben sie ihre Marke, sind fasziniert von ihr und beschäftigen sich oft über Jahre hinweg mit ihrem Marktumfeld. Vor diesem Hintergrund ist es oft schwer zu glauben, dass die Endverbraucher-Zielgruppe oder auch Journalisten nicht die gleiche Begeisterung für ihr Thema aufbringen. Kreative verpackten die Werbebotschaft daher in möglichst spannende oder lustige Geschichten, Mediaspezialisten rechnen dann vor, dass es erhebliche Budgets bedarf, um sich mit der eigenen Botschaft im allgemeinen Noise-Level durchzusetzen.
Als zunächst Viral-Marketing, dann Social Media und schließlich Content Marketing auf den Plan trat, war die Erleichterung groß: endlich beschäftigt sich die Zielgruppe freiwillig mit meiner Marke. Kein gekaufter, penetranter Werbedruck mehr, sondern echtes Interesse, tiefe Freundschaft, vielleicht sogar wahre Liebe zwischen Verbraucher und Marke. Und vor allem keine monströsen Budgets mehr, um die Botschaft mit ausreichendem Druck in hoher Reichweite unters Zielgruppen-Volk zu bringen.
So schön manche Träume sind, irgendwann kommt der Moment des Erwachens. Kaum ein Spot war ausreichend viral, um sich als Schenkelklopfer von Nutzer zu Nutzer zu verbreiten nach dezentem Seeding der Botschaft. Seltene Ausnahmen wie „Supergeil“ von Edeka bestätigen diese Regel. Bei Social Media stört Mark Zuckerberg seit 2013 mit sukzessiven Änderungen des Facebook-EdgeRankAlgorithmus den Traum von kostenloser Reichweite und direkter Ansprache von Fans: wer nicht für Social Ads zahlt, erreicht „seine“ Fans kaum noch, die Reichweite von Facebook-Posts und –Seiten sinkt rapide, wenn nicht mit Budgets gegengesteuert wird. Die Entwicklungen bei Viral und Social Marketing bedeuten nicht, dass dies keine sinnvollen Marketing-Techniken sind, nur sind sie eben nicht so gratis wie erhofft.
Und Content Marketing? Auch hier machen sich nach der ersten Begeisterung über eine Alternative zur plumpen Werbung erste Zweifel über die erzielte Reichweite breit. Zwar verbietet sich der unmittelbare Vergleich der werblichen Reichweite von z.B. einer TV-Kampagne mit der Anzahl der erreichten Nutzer über Content Marketing Strategien. Dafür ist die Interaktion mit einer Marke im Content Marketing schon deutlich hochwertiger und intensiver. Dennoch sollten die Investitionen in Inhalte am Ende in einem sinnvollen Verhältnis zur Anzahl der Rezipienten stehen.
Im gedruckten Corporate Publishing war die Reichweite eigentlich nie ein echtes Problem, sie kostete halt nur Geld – für Adressen, Druck und Porto. Am Ende bleibt der Zweifel, ob die Gleichung „Nicht gekauft – trotzdem gelesen“ aufgeht. Diese Restzweifel kann man sich im interaktiven Content Marketing nur erlauben, wenn man mutwillig auf jegliche Messung der effektiven Nutzung verzichtet, also nicht einmal Webcontrolling Tools wie Google Analytics, Omniture oder etracker in die Content Marketing Angebote implementiert.
Wer also wissen möchte, was wie oft von wie vielen Nutzern gelesen, geliked und geshared wird, kann jederzeit über diese Informationen verfügen. Bleiben zwei Fragen:
- Wieviel Nutzung ist ausreichend bzw. was ist ein Erfolg?
- Wenn die aktuelle Nutzung niedriger ist als die Erwartung, was kann ich tun?
Hinsichtlich der ersten Frage kann man keine pauschale Antwort geben, dafür gibt es noch zu wenige öffentliche Benchmarks und Studien. Hilfreich ist aber auf jeden Fall, sich bereits vor Start einer Content Marketing Initiative Gedanken über ein Ziel zu machen und die Zielerreichung laufend zu überprüfen. Anhaltspunkte können hier z.B. das Zielgruppen-Potential aus der Marktforschung oder auch die bisherige Nutzer-Entwicklung der „klassischen“ Website aus der Vor-Content-Marketing-Ära sein. Die Qualität der Nutzer lässt sich über regelmäßige On-Site-Befragungen gut recherchieren. Und schließlich sollte bei einer Kosten-Nutzen-Abwägung auch der Aufwand in die Betrachtung eingehen: je mehr Inhalte angeboten werden, umso höher werden die Erwartungen an die Nutzung sein.
Die zweite Frage ist insofern kniffeliger, als sie ein Content Marketing Dogma in Frage stellt: Owned und Earned Media sollten ja gerade an die Stelle von Paid Media treten, mit anderen Worten: Der Einkauf zusätzlicher Reichweite wäre ja ein Eingeständnis, dass Content Marketing sein Versprechen nicht einhalten kann. Das ist wohl auch der Grund, warum das typische Content Marketing-Projekt vor allem auf drei Nutzerquellen setzt:
- Der „So-Da“ Traffic der eigenen Website, mit der auf das Content Marketing-Angebot verwiesen wird. Je bekannter eine Marke, umso höher ist dieser Basis-Traffic.
- Suchmaschinen-Optimierung, also die gezielte Aufbereitung der Inhalte für Auffindbarkeit in Google & Co. Eigentlich sollte mittlerweile jedem klar sein, wie mächtig dieses Werkzeug ist, aber am Ende unterwerfen sich die meisten Kreativen immer noch sehr ungern an dem SEO-Regelwerk. Hinzu kommt, dass SEO nicht für unmittelbare, schnelle Erfolge und garantierten Reichweitenaufbau prädestiniert ist.
- Die übrigen Owned-Media-Kanäle wie Newsletter und die Facebook-Präsenz. Während Newsletter als altmodisch gelten, wissen zumindest B2B-Experten, dass sie nach wie vor prächtig funktionieren. Die deutlich hippere Facebook-Präsenz leidet wie bereits erwähnt unter den neuen Algorithmen des Mark Suckerberg und entsprechend geringerer Reichweite.
Also doch Paid Media? Ist es nicht widersinnig, für Content Marketing Angebote bezahlte Werbung zu schalten? Es kommt sehr darauf an, wie diese Bewerbung der Inhalte aussieht. Natürlich sollten keine marktschreierischen Banner oder Newsletter auf das Angebot verweisen, dann wäre die Glaubwürdigkeit gleich zum Teufel. Aber Content Promotion kann auch so inhaltlich betrieben werden, dass sich eine schlüssige Customer Journey von einer inhaltlichen Anregung in einem Paid Media Umfeld hin zu einer redaktionell-aufbereiteten Markenbotschaft ergibt. Eine naheliegende Lösung sind z.B. Social Media Ads, die in der Timeline kaum von „normalen“ Posts zu unterscheiden sind. Auch Suchmaschinen-Marketing oder kontextuelle Teaser können hilfreich sein.
Content Marketing kann natürlich auch ausschließlich über die bestehenden Owned und Earned Media Kanäle betrieben werden. Die Frage ist nur, ob dieses Vorgehen nach dem Prinzip Hoffnung das volle Potential ausgeschöpft wird. Stellt Euch vor, eine Marke brilliert mit nutzwertigen oder unterhaltenden Inhalten, und kaum einer geht hin. Ein neues Projekt sollte daher mit einer möglichst genauen Zielsetzung zur erwarteten Resonanz hinsichtlich Reichweite und Inhalteaufrufe (Artikel, Videos) versehen werden. Dazu braucht es einen Plan, wie eine eventuelle Lücke zwischen Ist- und Planzahlen geschlossen werden kann.
Wir sollten aufhören, die Resonanz auf Content Marketing dem Zufall zu überlassen und den Traum vom Perpetuum Mobile aufgeben. Das macht diese neue Spielart des Marketing nicht weniger wirksam oder faszinierend, aber deutlich realistischer und steuerbarer.