Auf dem Wege der Besserung

Pharma NOAR//

Wie die wichtigsten 17 Pharma-Marken Deutschland das Internet mit Content-Marketing Ansätzen nutzen, hat die Hamburger Online-Media-Agentur NetzwerkReklame untersucht. Die Studie zeigt viele gute Ansätze, aber auch noch viel Nachholbedarf.

 

Schmerzen in der Schulter, Kopfweg oder Verdauungsbeschwerden: Wer sich heutzutage unwohl oder gar krank fühlt, rennt nicht notwendigerweise direkt zum Arzt, sondern erstmal zum Computer. Das Internet bietet eine Fülle von Informationen über gängige als auch seltene Beschwerden und Krankheitsbilder, die schnell, unkompliziert und anonym abgefragt werden können. Nichts liegt also näher für einen Anbieter von nicht-rezeptpflichtigen sog. OTC Arzneimitteln, als sich im Internet als Kompetenzträger und Informationsquelle zu positionieren. Über Content Marketing-Strategien soll zunächst das Vertrauen des Nutzers über nutzwertige Inhalte erworben werden, um auf dieser Plattform das eigene Medikament als Lösungsoption zu präsentieren. Damit dienen die Inhalte letztlich einer Vorbereitung des Abverkaufs am Point of Sale, der Apotheke. Der über das Internet vorinformierte User betritt dann idealerweise die Apotheke mit dem Wunsch nach einem konkreten Medikament. Das fachkundige Personal wird sicher Hinweise zur Anwendung oder Wechselwirkungen geben, möglicherweise auch Alternativen nennen. Die Nachfrage nach einer konkreten Marke bleibt aber die beste Ausgangsposition für den erfolgreichen Abverkauf.

So wundert es kaum, dass alle wichtigen OTC-Pharmamarken längst über Websites verfügen, die weit über das notwendige Mindestmaß eines virtuellen Beipackzettels hinausgehen. Im Rahmen des Online-Aktivitäts- und Relevanz Index der Media-Agentur NetzwerkReklame (kurz NOAR Index) wurden für CP-Monitor die 17 meistverkauften OTC-Marken in Deutschland hinsichtlich der entfalteten Aktivität und der daraus erzielten Relevanz im Internet untersucht (vlg. Kasten auf Seite XY zur Methode). Während jährlich lt. Best4Planning über 20 Mio. Bundesdeutsche ab 14 Jahre zu Aspirin greifen, findet das Magen-Darm Präparat Iberogast immerhin noch 4,6 Mio. Verwender. Wenn auch die Anwendungsgebiete der OTC-Medikamente durchaus unterschiedlich sind, gehören alle Produkte zum Standardsortiment von Apotheken und werden weiten Kreisen der Bevölkerung zumindest dem Namen nach bekannt sein.

 

Produkt Websites auf relativ niedrigem Niveau

Erstaunlich ist damit, dass sich die Nutzung dieser Produkt-Websites nach wie vor auf einem relativ niedrigen Niveau bewegt. So weist z.B. keines der hier untersuchten Marken-Portale eine ausreichende Nutzung auf, um über das Comscore-Panel valide erfasst zu werden, welches üblicherweise die Reichweite aller Websites mit mehr als 30.000 Usern pro Monat auflistet. Die überschaubare Reichweite ist eigentlich ein Jammer, sind doch viele dieser Produktwebsites durchaus mit Liebe gemacht und bieten einen echten inhaltlichen Mehrwert, der über die Aufforderung zum Kauf klar hinausgeht.

 

Wichtigste Erkenntnis über alle untersuchten Marken hinweg: die schönsten Inhalte nutzen wenig, wenn sie vom Zielpublikum nicht genutzt werden. Und da sich die meisten Menschen nicht nur so aus Interesse mit Krankheiten beschäftigen, sondern sich bei akutem Bedarf (sprich: Beschwerden) informieren, sind Suchmaschinen der Schlüssel zur relevanten Reichweite. Was hilft also z.B. ein liebevoll aufbereiteter Erkältungsratgeber im Internet, wenn er aufgrund einer fehlenden Kurzbeschreibung der Website-Inhalte von Google Nutzern nicht gefunden werden kann? Bei vielen der untersuchten Seiten fehlt es noch an den Basics wie einer professionellen Suchmaschinen-Optimierung. So ist keine der untersuchten Marken wirklich perfekt aufgestellt für die Content Marketing Herausforderung.

 

Thomapyrin liegt vorn

Das insgesamt höchste Aktivitätsniveau verzeichnet Thomapyrin. Die Website punktet kann vor allem die Website mit einer ansprechenden multimedialen Aufbereitung der Inhalte z.B. in Form von Podcasts oder andere nützliche Features wie ein Selbsttest und ein Kopfschmerztagebuch. Von Hintergrundinfos über Hausmittel bis hin zum Nachweis von Selbsthilfegruppen im Umkreis des Nutzers wird die komplette Klaviatur des Content Marketing gespielt. Während die Website selbst durchaus überzeugt, ist die Vermarktung der Inhalte deutlich schwächer, sowohl in der Suchmaschinen-Optimierung als auch in der Bewerbung über Adwords-Anzeigen. Das Sistrix-Tool weist hier z.B. nur 107 belegte Suchbegriffe auf, während Konkurrent Aspirin auf immerhin 1.166 mit Anzeigen belegte Begriffe kommt.

 

Auch die Website des Erkältungsmittels Grippostad überzeugt durch die Vielfalt der gebotenen Informationen in einer für Laien verständlichen Aufbereitung. So wird z.B. anhand einer leicht nachvollziehbaren Checkliste der Unterschied zwischen einem grippalen Infekt und einer richtigen Grippe erläutert. Ähnlich wie bei den meisten anderen Websites fehlt es aber an der Aktualität der Inhalte. Besser löst dies z.B. Gelomyrtol, wo auf Erkältungsrisiken im Spätsommer eingegangen wird. Sehr anschaulich ist auch der grafische Erkältungsatlas, in dem Regionen mit höherer Ansteckungsgefahr dargestellt werden.

 

Während Thomapyrin das Feld beim Aktivitätsnivau im content-basierten Online-Marketing anführt, liegt Aspirin bei der Relevanz im Netz klar vorn. Hilfreich ist dabei sicher auch, dass Aspirin als Klassiker unter den Schmerzmitteln nicht nur als Produktmarke, sondern vom Nutzer auch als Gattungsbegriff gesehen wird. Darüber hinaus ist Aspirin.de die Website mit den meisten verweisenden Domains und mit Abstand führend in den Kategorie Social Media Buzz, also die Erwähnung in Blogs und anderen Social Media Kanälen. Inhaltlich besticht die Aspirin.de-Website über einen aufwändigen Magazinteil, der neben naheliegenden Themen auch weitere Brücken von aktuellen Trends wie „Glamping“ (dem glamourösen Camping) hin zu Spannungskopfschmerz im Urlaub schlägt. Abgerundet werden diese Themen jeweils mit einer Checkliste für mehr Nutzwert, also z.B. welche Medikamente in die Reiseapotheke gehören. Wirklich enttäuschend ist dann allerdings, dass diese Inhalte nicht gezielt genutzt werden, um Nutzer über Suchmaschinen auf die Website zu locken. Schlimmer noch, die Artikel tauchen im Google Index gleich mehrfach auf, was der Suchmaschine-Riese als sog. Duplicate Content durch Herabstufung im Suchindex bestraft. Auch bei Aspirin ist also durchaus noch Luft nach oben.

 

Die Pharmamarke mit dem höchsten Sichtbarkeitsindex in Suchmaschinen und damit auf Rang 2 der im Netz relevantesten Marken ist Voltaren. Hier findet man viele interessante inhaltliche Ansätze rund um die Kernthemen Bewegungs- und Gelenkschmerzen. So wird im Rahmen des „Gelenk Aktiv Programms“ eine Kombination aus gezielten Übungen, allgemeiner Förderung von Beweglichkeit und Hintergrundinformationen geboten, für das sich der User allerdings mit Name, Adresse und Email anmelden muss. Damit eröffnet sich Voltaren die Möglichkeit, dauerhaft mit den Nutzern zu kommunizieren. Einen Schritt weiter geht der Voltaren Bewegungs-Coach, bei dem über Web-Videos und einem individuellen Traingsplan häufige Ursachen von Bewegungsschmerzen angegangen werden. Hierfür wurde mit der Ex-Kickboxerin Dr. Christine Theiss sogar ein Testimonial verpflichtet.

 

Nasivin mit erheblichem Nachholbedarf

Es gibt allerdings auch OTC-Marken, die noch erheblichen Nachholbedarf im Bereich Content-Marketing im Internet haben: Obwohl Nasivin als Schnupfenspray lt. Best4Planning fast 10 Mio. Käufer in Deutschland aufweist, konnte das Aktivitätsniveau nicht überzeugen, was sich auch in einer sehr geringen Relevanz der Marke im Internet niederschlägt. Die Website ist technisch und gestalterisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Stundenpläne und Malbücher für Kinder zeugen zwar von einem gewissen Bemühen um die Aufmerksamkeit der Nutzer, können aber keinen schlüssigen Bezug zum Thema Erkältung aufbauen. Auf die Schaltung von Suchmaschinen-Anzeigen wird komplett verzichtet, gleichzeitig ist die Website nicht für Google & Co. optimiert. Dies alles schlägt sich in extrem niedrigen Rankings bei Alexa nieder, die Website findet offenkundig weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Da die Website über kein Webcontrolling Tool verfügt, scheint auch kein Interesse an der Reichweite zu bestehen. Hier kann man den Verantwortlichen wohl nur noch einen vollständigen Neuanfang empfehlen.

 

Über alle Marken hinweg fällt die Zurückhaltung im Bereich Social Media auf. Erklären lässt sich dies wohl nur mit den rechtlichen Risiken eines Online-Dialogs zwischen den Pharmaherstellern und den ratsuchendem Patienten. Natürlich ist es für Internet-Nutzer attraktiv, sich bei Fragen zur Gesundheit an eine vertraute Marke wenden zu können. Eröffnet ein Hersteller also Facebook oder andere Plattformen als Dialogkanal, würde er sicher auch zahlreiche Gesundheitsfragen erhalten. Da sich Ferndiagnosen allerdings kaum seriös stellen lassen, verzichten die Hersteller offenbar lieber auf diesen Kanal komplett.

 

Fazit:

Content Marketing eignet sich gerade für erklärungsbedürftige Produkte wie OTC Arzneimittel, und das Internet ist als breit verfügbares Medium zur schnellen und zielgerichteten Abfrage von Informationen durchaus ein relevanter Kanal. Diese Erkenntnis scheint sich auch bei den meisten Produktverantwortlichen der hier untersuchten OTC-Marken herumgesprochen zu haben. Während die inhaltliche Umsetzung im Regelfall gelingt, bestehen noch Schwächen in der medienadäquaten Aufbereitung der Inhalte. Vor allem Videoinhalte und interaktive Beratungsmodule sind noch viel zu selten zu finden. Dass dieser Aufwand gescheut wird, hängt möglicherweise mit der noch überschaubaren Reichweite der Websites zusammen. Diese ist allerdings ein hausgemachtes Problem, da oft elementare Fehler in der Suchmaschinen-Optimierung gemacht werden und gleichzeitig der Aufwand für eine zumindest rudimentäre Bewerbung des Angebotes gescheut wird. Insgesamt ist der Trend zum Content-Marketing aber auch in der Pharma-Branche nicht mehr zu stoppen. Da aber Owned Media Kanäle nicht vom Himmel fallen, sondern eben auch erarbeitet werden müssen, sind hier noch zusätzliche Anstrengungen erforderlich.